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Statement Bernhard Günther zu Wien Modern 2020

Bernhard Günther

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Die Entscheidung, bei Wien Modern 2020 von einem Tag auf den anderen vom Live-Veranstaltungsbetrieb auf Videoproduktion und Streaming umzuschalten, war zunächst schlicht ein Reflex – wie wenn man bei hohem Tempo eine Kurve nimmt, statt geradeaus in eine Wand zu fahren. Ich bin sehr dankbar dafür, dass dieser Kurs sofort von vielen Künstlerinnen und Künstlern, Kulturinstitutionen, dem Festivalteam und dem Vorstand mitgetragen wurde. Ich halte ungewöhnlich viele der teilweise im ersten Lockdown komponierten und im zweiten uraufgeführten Kompositionen künstlerisch für außerordentlich gelungen und freue mich, dass das durch Streaming teilweise zehnmal mehr Menschen hören konnten als das unter den extremen Veranstaltungsbedingungen vor dem Lockdown der Fall gewesen wäre.

Aber so denkwürdig die 33. Festivalausgabe auch gewesen sein mag – als Modell für die Zukunft wünsche ich mir sie nicht: Der Austausch mit dem Publikum vor Ort ist für ein solches Festival digital nicht ersetzbar. Das gilt genauso für das körperliche Live-Erlebnis der neuen Musik mit ihren besonderen Klängen, Stimmungen und Formaten.

Dass gerade das sicherste der neu entwickelten Veranstaltungsformate des diesjährigen Festivals, Georg Friedrich Haas’ Raumkonzept für das Kunsthistorische Museum, vom Holzhammer der zunehmend wirren Verordnungen rund um „Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze“ getroffen wurde, gehört für mich zu den aussagekräftigsten Enttäuschungen des Umgangs mit der Pandemie: Der Kulturbereich hat anerkanntermaßen die sichersten Präventionskonzepte entwickelt und hat innovative, differenzierte präzise und nachhaltige Lösungen anzubieten. Die politische Suche nach Lösungen wirkt auf mich im Vergleich dazu teilweise wie Topfschlagen beim Kindergeburtstag: ohne Sicht nach der lautesten Ansage von außen auf einen Zufallstreffer hoffen und dabei öfter mal das Falsche erwischen. Die Kultur hat bewiesen, dass sie professionell und konstruktiv arbeiten kann. Jetzt ist die Kulturpolitik am Zug.