Stefan George (1868-1933)
Text
Litanei
Tief ist die trauer, die mich umdüstert,
Ein tret ich wieder, Herr! in dein haus …
Lang war die reise, matt sind die glieder,
Leer sind die schreine, voll nur die qual.
Durstende zunge darbt nach dem weine.
Hart war gestritten, starr ist mein arm.
Gönne die ruhe schwankenden schritten,
Hungrigem gaume bröckle dein brot!
Schwach ist mein atem rufend dem traume,
Hohl sind die hände, fiebernd der mund.
Leih deine kühle, lösche die brände,
Tilge das hoffen, sende das licht!
Gluten im herzen lodern noch offen,
Innerst im grunde wacht noch ein schrei …
Töte das sehnen, schliesse die wunde!
Nimm mir die liebe, gib mir dein glück!
Entrückung
Ich fühle luft von anderem planeten.
Mir blassen durch das dunkel die gesichter
Die freundlich eben noch sich zu mir drehten.
Und bäum und wege die ich liebte fahlen
Dass ich sie kaum mehr kenne und du lichter
Geliebter schatten – rufer meiner qualen –
Bist nun erloschen ganz in tiefern gluten
Um nach dem taumel streitenden getobes
Mit einem frommen schauer anzumuten.
Ich löse mich in tönen, kreisend, webend,
Ungründigen danks und unbenamten lobes
Dem grossen atem wunschlos mich ergebend.
Mich überfährt ein ungestümes wehen
Im rausch der weihe wo inbrünstige schreie
In staub geworfner beterinnen flehen:
Dann seh ich wie sich duftige nebel lüpfen
In einer sonnerfüllten klaren freie
Die nur umfängt auf fernsten bergesschlüpfen.
Der boden schüttert weiss und weich wie molke.
Ich steige über schluchten ungeheuer,
Ich fühle wie ich über letzter wolke
In einem meer kristallnen glanzes schwimme –
Ich bin ein funke nur vom heiligen feuer
Ich bin ein dröhnen nur der heiligen stimme.
(Stefan George)
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