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Joseph Haydn

siehe Olga Neuwirth: Gassatim-Konzert

Letztlich erfand sich Haydn selbst: Er stieg – im Alter von 29 Jahren, für damalige Verhältnisse sehr spät – vom «gassatim»-Musiker (Gassenmusiker) zum Vizekapellmeister am Hof in Eisenstadt, schließlich zum «Liebling unserer Nation» auf, wie das Wiener Diarium 1776 schrieb. Ein derartiger Lebensweg ist heute für einen Komponisten, besonders aber für eine Komponistin nicht mehr möglich. Haydn konnte zu einem Strukturentwickler werden, vor allem in der Kammermusik, und eine besondere Position einnehmen: Er emanzipierte sich zu einer modernen Künstlerfigur. Vielleicht erscheint Haydn vielen zu gleichmütig, weil er gelernt hatte, die Konventionen zu beherrschen, sich auf dem Parkett internationaler Höfe zu bewegen, um sich so als Angestellter dem Diktat der Alltagsvernunft am Hofe komponierend entgegenzusetzen. Ja, er konnte die Erwartungen der Gesellschaft bedienen (nicht so Mozart), aber später, als ihn der Erfolg vielleicht souveräner machte, auch das Gegenteil beweisen – wie in seinem Brief an die Wiener Tonkünstlersozietät, in dem er sich wütend zur Wehr setzte: «Ich bin ein Mann von zu vieler Empfindung, als daß ich beständig der Gefahr sollte ausgesezet seyn cassiret zu werden.» Mozart, dem unbändigen «Kind», hätte man solche Aussagen sicherlich übel genommen, doch Haydn galt als seriöser, unaufgeregter, nie übertreibender Könner. Dies ist mir zwar persönlich eher fremd, doch fasziniert mich diese perfekte Gratwanderung zwischen Intellektualität, Wachheit, Offenheit und gleichzeitiger Angepasstheit. Ich würde jedem, der von Jung an komponierend «durchhalten» und immer weiter von seiner Kunst leben muss, aus meiner Sicht raten, sich abzugrenzen zu versuchen, um sich weiterhin Freiräume für seinen Geist zu erschaffen. Geholfen haben ihm dabei bestimmt auch sein Schalk ebenso wie sein experimenteller Sinn. So entstand nach der zweiten Englandreise das von mir so geliebte Trompetenkonzert. Die Klappen-Trompete war gerade vorn Hoftrompeter Weidinger entwickelt worden und hatte sofort Haydns Interesse geweckt. Ein anderes Beispiel für die anarchisch-ironische «Energie» des jungen Haydn ist seine Vorwegnahme einer Charles Ives’schen Idee: Er organisierte ein «Gassatim-Konzert» im öffentlichen Raum, bei dem er Musiker einlud, sich am Tiefen Graben in Wien auf mehrere Häuser und Winkel zu verteilen und das zu spielen, was sie wollten. Und das um 1753! Das finde ich wunderbar. So etwas kann man nur als junger Mensch, da sollte man solche anarchischen, provokativen, herausfordernden Ideen auch ausleben – statt nur in einem Betrieb, der jedes Scheitern bestraft, funktionieren zu wollen. Das gefällt mir an Haydn.
(Olga Neuwirth: «Ein Mann von zu vieler Empfindung.» In: profil 14/2009.)

Version 2023

Werke & Mitwirkungen

2023
2018
1992
  • Orlando Quartett

    Streichquartett G-Dur Hob. III/66(1790)- 18' (KomponistIn)
    23.11.1992 19:30, Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal

  • Haydn-Trio

    Klaviertrio D-Dur Hob. XV/16(1789–1790)- 15' (KomponistIn)
    12.11.1992 19:30, Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal

1991
  • Budapester Symphoniker / Fischer

    Symphonie fis-moll Hob. I/45 »Abschieds-Symphonie«(1772)- 25' (KomponistIn)
    06.11.1991 19:30, Wiener Konzerthaus, Großer Saal

1988