Polwechsel
Burkhard Beins, Martin Brandlmayr Schlagwerk | Werner Dafeldecker Kontrabass | Klaus Lang Orgel | Michael Moser Violoncello | Wolfgang Musil Sound, Tontechnik
Die Musik von Polwechsel lässt sich nicht erklären, geschweige denn «wegerklären». Die endgültigen Werke besitzen eine enorme Komplexität, von ihren multidisziplinären Anfängen bis zu ihren endgültigen Realisierungen. Wir betreten sie als zusammengesetzte Konstrukte, als multiple Umgebungen; ihre subtilen und komplexen Instabilitäten laden zu einem erneuten Besuch ein und belohnen ihn. Ein Teil des Vergnügens des Studios, des Labors besteht darin, dass dessen letztendlichen Zusammenstellungen jede Vorstellung vom «Original» verschlucken, ob es sich nun um eine «Live»-Performance oder eine Partitur handelt, wobei sich die Werke ausdehnen und jeder Verkapselung entziehen, während sie sich nach außen bewegen. Das phantasievolle Erfassen eines «Elements» eines Werks trägt nur zur Komplexität seiner Beziehung zu anderen Komponenten bei. Die Werke scheinen ständig neu zu sein. Eine Komposition könnte nur hier, bei uns, existieren, kein Echo von etwas Verlorenem, sondern eher das heitere, ideale, isolierte Artefakt, das in unseren Ohren flimmert. Es gibt hier viele Momente, in denen sich ein Klang in einen anderen verwandelt […]. Diese merkwürdigen Mehrdeutigkeiten mögen am Ende aufgelöst werden, aber die Auflösung ist nicht der Punkt; vielmehr ist es die anfängliche Übertragung, die Tiefe des Hörens, die neue Kongruenzen, Prozesse und Klänge, die einander überschneiden, offenbart; […]. [Ein] zentraler Akt von Polwechsels musikalischer Praxis [ist] die Art und Weise, wie diese Formation auf die Möglichkeit der Transformation hinweist, den Augenblick der Transformation, das Erkennen als Offenbarung, nicht den «Trick», sondern die Möglichkeit, dass die intensive Prüfung der materiellen Welt durch die Wahrnehmung das innere Leben des Bewusstseins in der Instabilität sowohl der Materialität wie auch der Wahrnehmung offenbart. In diesem Sinne ist es eine Musik, die für eine Art absolutes Hören gemacht ist, ebenso wie es Musik ist, die durch einen solchen Akt entsteht. [...] Polwechsel arbeitet mit ungleichen Dingen, wobei jeder Musiker sowohl als Komponist und Improvisator wie auch als Editor/Assembler fungiert und die zusammengesetzte Zeiterfahrung im zusammengesetzten Werk letztlich die zeitlichen Beziehungen in einem weiteren Prozess definiert. [...] In dieser Musik treten wir auf besondere Weise ganz in die Pluralität unserer Erfahrung eines Kunstwerks ein. Es ist eine Musik, die mehrfach, kollektiv, eindringlich selbstbewusst ist, eine Klangcollage, die Gleichzeitigkeit und Dauer zugleich ist. (Aus Stuart Broomer: «Liner Notes» in der 4-LP-Box Embrace, 2023)
Version 2023
frühere Version(en): 2020