15 Miniaturen
Thomas Wally (2024)
(2024) – 13'
In meinem neuen Streichquartett 15 Miniaturen laufen drei Inspirationsstränge zusammen: erstens das Streichquartett-Schaffen Arnold Schönbergs, zweitens einige weitere Kompositionen für Streichquartett (und Streichtrio), die von Komponist:innen mit Bezug zu Wien und zum Judentum geschaffen wurden, und drittens mein eigenes Stück 4 Bagatellen, das 2024 bereits mehr als 20 Jahre alt ist. In den neuen 15 Miniaturen wird nun – auf verschiedene Art und Weise – auf 15 Werke anderer Komponist:innen Bezug genommen, wobei nicht, wie es naheliegend scheinen würde, pro Miniatur ein bestimmtes Werk als Inspirationsgrundlage dient: Die 15 Werke anderer Komponist:innen sind einerseits autobiografisch bedingt, da das ensemble LUX 2022 einen Zyklus in der Synagoge Or Chadasch spielte, wo Werke von Komponist:innen mit Bezug zum Judentum und zu Wien vorgestellt wurden. Schon damals entstand die Idee, ein «Metawerk» zu komponieren, das diese knapp 100 Jahre spezieller Musikgeschichte reflektieren sollte.
Die Komponist:innen und Werke, die damals gespielt wurden, sind (in chronologischer Reihenfolge): Erwin Schulhoff, Fünf Stücke für Streichquartett (1923); Alban Berg, Lyrische Suite (1926); Arnold Schönberg, Streichquartett Nr. 3 (1927); Alexander von Zemlinsky, Streichquartett Nr. 4 (1936); Roman Haubenstock-Ramati, Ricercari (1948–1978); György Ligeti, Métamorphoses Nocturnes (1953–1954); Alfred Schnittke, Streichtrio (1985); Olga Neuwirth, Akroate Hadal (1995) und Settori (1999) sowie Luna Alcalay, relatif à la sonorité (1998). Dass die Bezugnahme zum Judentum durchaus in keinem engen Sinn verstanden werden darf, zeigt das Auftauchen der Namen Alban Berg und Alfred Schnittke. Die Liste dieser zehn Werke wird vergrößert um fünf weitere Kompositionen: die weiteren drei (zu Lebzeiten veröffentlichten) Streichquartette von Arnold Schönberg – das Streichquartett Nr. 1 (1904–1905), das Streichquartett Nr. 2 (1908) und das Streichquartett Nr. 4 (1936), weiters das 2. Streichquartett (1968) von György Ligeti und das String Quartet (1995) von Chaya Czernowin.
Die Bezugnahme auf diese 15 Werke erfolgt auf verschiedene Art und Weise. Im Sinne einer allgemeinen Theorie der musikalischen Bezugnahme würde ich drei unterschiedliche Hauptmöglichkeiten definieren: 1) die wörtliche Bezugnahme, 2) die kompositionstechnische Bezugnahme, 3) die formale Bezugnahme. Unter Punkt 1 fällt dabei die einfachste Form, das Zitat. Das Zitat ist zwar von der Idee her einfach, kompositorisch sinnvoll aber nicht so einfach umzusetzen, soll doch das Übernommene nicht als Fremdkörper erscheinen, sondern sich wie bei einer Transplantation komplett in das neue Gewebe einfügen. Verwandt mit dem Zitat ist die Anspielung oder die Imitation. Unter Punkt 2 kann man sich die Übernahme einer bestimmten Kompositionsmethode vorstellen: z. B. die Idee des Klangfarbenkanons wie zu Beginn des zweiten Satzes des 2. Streichquartetts von György Ligeti oder auch das Komponieren von horizontalen Symmetrien wie in Luna Alcalays relatif à la sonorité. Die formale Bezugnahme ist nicht streng von Punkt 2 zu trennen, hier könnte man das Erschaffen eines Stücks mit der «Scherbentechnik» von Chaya Czernowins String Quartet nennen. Bezug genommen wird schließlich auch auf mein erstes Streichquartett, 4 Bagatellen. Pro Miniatur dient mindestens ein Werk als Inspirationsgrundlage – es können aber auch mehrere Werke sein, die, in welcher Form auch immer, in bzw. «hinter» diesen kurzen Stücken wirken. (Thomas Wally)
Produktionen
- 2024
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ENSEMBLE LUX
15 Miniaturen(2024)- '
23.11.2024 16:00, Alte Schmiede