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Streichquartett Nr. 3 op. 30

Arnold Schönberg (1927)

op. 30 (1927) – 21´ (Arditti 50.3)

I. Moderato
II. Adagio
III. Intermezzo (Allegro moderato)
IV. Rondo. Molto moderato

«Vergangenen Sonntag dein III. Quartett durch Kolisch! Ich suche nach Worten, dir meinen Eindruck zu beschreiben; vielleicht sage ich es am besten so: dass mit jedem neuen Werke von dir das gesamte Weltbild für mich ein neues wird.» – Mit diesem Brief vom 25. November 1927 gab Anton Webern seiner Begeisterung über Schönbergs op. 30 Ausdruck. Mehr als achtzehn Jahre liegen zwischen Schönbergs zweitem und drittem Quartett; in diesem Zeitraum hatte er die Möglichkeiten der Zwölftonkomposition mit den Fünf Stücken für Klavier op. 23, der Serenade op. 24 und der Klaviersuite op. 25 erarbeitet, Opus 30 markiert jedoch sein erstes dodekaphonisches Streichquartett. Das Werk wurde – gemessen an der Komplexität der Musik – in der erstaunlich kurzen Zeit zwischen 24. Januar und 8. März 1927 komponiert. Elizabeth Sprague Coolidge gab am 2. März den Kompositionsauftrag (obwohl das Stück zu diesem Zeitpunkt bereits fast vollendet war); die Uraufführung fand in ihrer Anwesenheit bei einem Kammermusikfest in Wien am 19. September 1927 statt. In der Einführung zur ersten Aufnahme durch das Kolisch Quartett in Los Angeles erinnerte sich Schönberg: «Weder bei der Uraufführung noch bei einem der folgenden Konzerte in Prag und Berlin hat [op. 30] eine ähnliche Aufregung erzeugt wie meine beiden ersten Streichquartette. Man könnte glauben, dass meine Musik nun verstanden würde und ich das Publikum endlich von meiner Mission als Komponist überzeugt hätte. Aber es wäre ein großer Fehler, dies zu glauben. […] Denn während – ungeachtet der von einem Teil des Publikums verursachten Aufregung – immer ein Teil der Kritik für mein Werk gegen die Opposition einstand, war nun plötzlich eine gewisse Einstimmigkeit unter jenen Kritikern entstanden, die behaupteten, ich würde bemerkenswertes musikalisches Wissen und Technik besitzen, jedoch nicht der Natur nach schaffen und ohne Inspiration komponieren. Ich wurde als Konstrukteur, als musikalischer Ingenieur, als Mathematiker bezeichnet.» Als Reaktion auf diese Kritiken insistierte Schönberg, dass sein Kompositionsstil der späten 1920er-Jahre sich in der Wirkung wenig von der früheren Periode unterscheiden würde. In der letzten Epoche seiner kompositorischen Laufbahn bestand er darauf, dass Dodekaphonie nur ein Werkzeug war, ein Mittel zur Organisation, das nicht mit Musik selbst verwechselt werden dürfte – wie auch aus einem oft zitierten und aufschlussreichen Brief an seinen Schwager Rudolf Kolisch hervorgeht: «Die Reihe meines Streichquartetts hast du richtig […] herausgefunden. Das muss eine sehr große Mühe gewesen sein, und ich glaube nicht, dass ich die Geduld dazu aufbrächte. Glaubst du denn, dass man einen Nutzen davon hat, wenn man das weiß? Ich kann es mir nicht recht vorstellen. […] Ich kann nicht oft genug davor warnen, diese Analysen zu überschätzen, da sie ja doch nur zu dem führen, was ich immer bekämpft habe: zur Erkenntnis, wie es gemacht ist; während ich immer erkennen geholfen habe, was es ist!» (Berlin, 27. Juli 1932)

Nach den formalen Innovationen seiner ersten beiden Quartette – das erste einsätzig durchkomponiert, das zweite unter Einbeziehung einer Sopranstimme – kehrte Schönberg in seinem dritten Quartett nun zur traditionellen Viersätzigkeit als Gegengewicht zu harmonischen Neuerungen zurück. Der Kopfsatz (Moderato) steht in Sonatenform mit zwei Gestalten der Reihe, welche die traditionelle harmonische Funktion erfüllen. Die Standardform besteht aus Exposition, Durchführung, Reprise und Coda. Ein Ostinato von Staccato-Achtelnoten, das von Schönberg als Bindeglied zwischen den verschiedenen Charakteren und Stimmungen beschrieben wurde, durchzieht beinahe den ganzen Satz. Die Kombination von Sonatenform und entwickelnder Variation verweist sowohl auf klassische als auch romantische Elemente, die Schönbergs Stil inhärent sind. Das Adagio ist ein Variationensatz mit zwei aufeinanderfolgenden, jeweils zehntaktigen Themen. Vorbilder für einen langsamen Variationensatz finden sich in zahlreichen Werken der Wiener Klassik. Der dritte Satz – von Schönberg mit Intermezzo (Allegro moderato) betitelt – entspricht der typischen Form eines Streichquartett-Binnensatzes, dem Menuett. Die dreiteilige Anlage bezieht sich nicht nur auf den ganzen Satz, sondern auch auf jeden der drei Einzelteile. Das Finale beschrieb Schönberg als Sonatenrondo. (Camille Crittenden, © Arnold Schönberg Center)

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