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Streichquartett Nr. 4 op. 37

Arnold Schönberg (1936)

op. 37 (1936) – 32' (Arditti 50.2)

I. Allegro molto; energico
II. Comodo
III. Largo
IV. Allegro


Arnold Schönberg komponierte sein Streichquartett Nr. 4 op. 37 (Fourth String Quartet op. 37) im Jahre 1936 innerhalb von sechs Wochen. Zählt man das 1897 entstandene Quartett ohne Opuszahl hinzu, so ist es Schönbergs fünftes Streichquartett. Ein sechstes, das in Skizzen angelegt war, hat er nicht mehr realisiert. Die Arbeit an seinem Vierten Streichquartett fiel in eine für Schönberg schwierige Zeit: 1933 aus Deutschland emigriert, übersiedelte er, nach einem kurzen Aufenthalt in Paris, an die Ostküste Amerikas. Anfänglich unterrichtete er an zwei Konservatorien – in Boston und New York –, das Reisen zwischen den Städten, aber auch das Klima beeinflussten seine Gesundheit stark, sodass Schönberg Konzerte und Vorträge absagen musste. Das wirkte sich wiederum negativ auf die ohnehin angespannte finanzielle Lage der Familie aus. Besonders wegen des angenehmeren Klimas entschloss sich die Familie, nach Kalifornien zu übersiedeln, wo Schönberg im Herbst 1936 – nach einem Studienjahr an der University of Southern California – Professor der University of California, Los Angeles, wurde. In der Zeit des Umzugs hatte Schönberg gerade mit der Niederschrift des Quartetts op. 37 begonnen. Der Mäzenin Elizabeth Sprague-Coolidge, auf deren Veranlassung Schönberg das dritte wie auch das vierte Streichquartett komponierte, schrieb Schönberg am 3. August 1936, er habe das Quartett am 26. Juni beendet: «[…] ich hätte es Ihnen längst geschickt, hätte ich nur gewusst, wo Sie sich jetzt aufhalten […]. Sie werden sich wahrscheinlich wundern, dass Sie von uns nichts weiter gehört haben. Aber Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Arbeit wir durch das Eintreffen unserer Möbel hatten. Ich habe vier Wochen verloren und habe dabei meine Bibliothek und Manuskripte noch nicht geordnet. […] Aber jede freie Viertelstunde habe ich zur Fortarbeit an dem Streichquartett verwendet. […] Ich bin mit dem Werk sehr zufrieden und glaube, dass es gefälliger ist als das dritte. Aber – das glaube ich jedesmal!» Die Los Angeles Times bestätigte in ihrer Kritik Schönbergs Gefühl und beschrieb das Quartett als «weniger revolutionär als erwartet […], und es erregt Gefühle, die denen nicht fernstehen, welche Schönklang hervorrufen.» Schon der erste Satz beginnt mit einem einprägsamen Thema, das mit einem kleinen, abwärts führenden Sekundschritt eröffnet, an den sich ein abwärts führender Terzschritt anschließt. Dieser dritte Ton der Reihe wird dreimal in Achteln wiederholt, mit einer sich anschließenden Achtel im Sekundschritt aufwärts, dem vierten Ton der Grundreihe. Auch der siebte und elfte Ton der Reihe hat die charakteristischen Tonwiederholungen, die jeweils durch Akzente betont werden. Die Grundreihe wird in den ersten fünf Takten vorgestellt, ihr ist ab Takt sechs ein lyrisches Seitenthema entgegengestellt. Aus diesem entwickeln sich auch im weiteren Verlauf des Satzes lyrische Episoden, denen immer wieder das markante Hauptthema entgegentritt. Neben der durch die Tonwiederholungen einprägsamen Grundreihe treten Terzen und Sexten nicht nur als Intervallfortschreitungen auf, sondern auch als Akkordpfeiler der Begleitung. Der zweite Satz, Comodo, zeigt die Nähe zu den klassischen Quartettvorbildern. Während im ersten Satz der Bezug zum klassischen Sonaten-Schema nur vage angedeutet ist, kann man hier eine engere Verwandtschaft, u. a. durch die A-B-A-Form, erkennen. Der Satz ist dadurch vergleichbar mit einem Menuett- oder Scherzo-Satz. Das Trio wird jedoch eng mit einer Durchführung verknüpft; neben dem neuen Material wird hier auch schon Erklungenes eingearbeitet. Der dritte Satz, Largo, setzt sich von den vorangegangenen Sätzen durch die Präsentation des Hauptthemas ab. Schönberg verzichtet auf eine kontrapunktische Begleitung und lässt das Thema im unisono erklingen. Am Beginn der A-B-A-B-Form zitiert er erst die Motivik des Hauptthemas aus dem ersten Satz im Fortissimo, jedoch genau einen Ton tiefer als im Original. Die betonten Terzintervalle sowie die Kadenz der melodisch-thematischen Phrase mit Quint-Schluss lassen ein harmonisches Gefühl entstehen. In den B-Teilen überwiegt der rhythmische Charakter des zweiten Satzes, wiederum mit motivischen Elementen des ersten Satzes kombiniert. Der Wiedereintritt von Teil A ist durch den Fortissimo-Einsatz im unisono deutlich heraushörbar, die Richtung der Intervalle ist jetzt jedoch umgekehrt. Der Übergang in den B-Teil ist nun verwischter, Elemente des ersten Übergangs werden mit Motiven des B-Teils kombiniert, die Grenzen sind nicht klar erkennbar. Einen Grund für diese Änderung beschreibt Arnold Schönberg in seinen Bemerkungen zu den vier Streichquartetten: «Die Abweichung von der ersten Formulierung dieses Teils reicht wegen des unterschiedlichen Zwecks sehr weit. Das erste Mal diente der B-Teil als lyrischer Kontrast zum dramatischen Ausbruch des Rezitativs, den er kraft seiner inneren Wärme zu überwinden hatte. Das zweite Mal, wenn der eingefügte Abschnitt die Spannung des Anfangs bereits gemindert hat, besteht sein Zweck darin, auf den Schluss vorzubereiten.» Der Finalsatz ist in einer Rondo-Form komponiert. Das Thema tritt fünf Mal in variierter Form auf, dem drei kontrastierende Episoden, je eine Art Durchführung nach dem dritten und vierten Erscheinen des veränderten Rondo-Themas und eine Coda entgegengesetzt sind. Schönberg schreibt zu diesem Satz: «Dieser Allegro-Satz enthält eine große Fülle thematischen Materials, weil jede Wiederholung weitreichend verändert wird und neue Formulierungen ins Leben ruft.» (Mirjam Schlemmer, © Arnold Schönberg Center)

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